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Künstlerportrait Dörte Lützel-Walz

DÖRTE LÜTZEL-WALZ
Malerin
Mitglied vom KUNST.RAUM.STEGLITZ. seit 2015
www.luetzel-walz.de

Interview und Fotos: © Peter Hahn
www.fotoblues.net

Welchen Stellenwert hat Kunst in Deinem Leben? Wie lebst Du Deine Kunst im Alltag?
Ohne Kunst und ohne meine Malerei würde mir etwas Grundsätzliches im Leben fehlen. Ich brauche die Malerei, es ist ein tiefes Bedürfnis, zu malen. Oft male ich zwei oder drei Bilder gleichzeitig. Es gab Phasen in meinem Leben, in denen ich nicht zum Malen kam. Mir ging es dann regelrecht schlecht. Malen motiviert mich, macht mich innerlich stark.
Ich muss zugeben, meine Malerei nimmt viel Zeit ein. Wenn ich male, bin ich im „flow“, brauche viel Zeit und die nehme ich mir. Es ist ein einsames Geschäft. Soziale Beziehungen können durchaus darunter leiden.

Signifikant und beeindruckend in Deiner Malerei ist das Spiel der Farben. Welche schöpferischen Ideen hast Du zu Beginn eines Bildes? Hast Du bereits einen Plan oder ist ein Bild eher die Reminiszenz des Unbewussten?
Ich habe keinen Plan. Das Bild entwickelt sich während des Malprozesses, wie häufig bei abstrakter Malerei.
Zwar habe ich am Anfang eine vage Idee, den Wunsch, eine bestimmte Farbe, einen Farbklang auszuprobieren. Aber ich kann nicht sagen, was mich letztendlich dazu treibt, diese oder jene Farbe zu nehmen. Aufgefallen ist mir jedoch, dass ich im Winter häufig die Farben Blau, Weiß, Grau, Pink – entsprechend der Farbkombination des Winterhimmels benutze.
Wichtig für mich ist, die Farbe fließen zu lassen, sie kann sich auf der Leinwand ausbreiten. In meinem „früheren“ Leben als Ärztin lebte und arbeitete ich sehr diszipliniert und kontrolliert. In meiner Malerei ist es mir gelungen, Kontrolle abzugeben und dem Zufall Raum zu geben. Um ein Kunstwerk entstehen zu lassen, ist es dann aber notwendig, einzugreifen und zu begrenzen, den Zufall zu lenken. Ich führe jedoch stets einen Dialog mit der Farbe.

Der Betrachtende hat sofort den Eindruck, dass Deine Kunstwerke einen eigenen Aspekt im Portfolio der Malerei darstellen. Wie schaffst Du das? Was ist Dein Geheimnis?
Mein Alleinstellungsmerkmal entwickelte sich im Studium. Von Anbeginn faszinierte mich der abstrakte Expressionismus. Bei der Suche nach der eigenen Handschrift, dem eigenen Spektrum meiner künstlerischen Tätigkeit, wollte ich dieses Thema erweitern.
Über den „gelenkten Zufall“ bin ich zu den gerichteten Farbverläufen gekommen, die die Dynamik und Expression der grenzenlosen Farbe eindämmen. Ich experimentierte mit Farbspuren auf feuchtem Untergrund und auf trockener Leinwand; ich beobachtete den Farbverlauf bei unterschiedlichen Flüssigkeitsgraden; ich versuchte so viele Schichten von Farbspuren wie möglich übereinanderzulegen oder begnügte mich mit so wenigen wie ausreichend. Diese Bandbreite von reduzierter Fragilität bis hin zu massiver Verdichtung machen vielleicht das Geheimnis aus. Und die Intensität der Beschäftigung mit einem Thema, was ich dann ausreize.

Was bedeuten für Dich in der Malerei Verdichtung und Reduktion? Was sind die wichtigsten Techniken in Deiner Arbeit?
Die Frage ist schon mit den vorigen Ausführungen beantwortet. Vielleicht kann ich noch hinzufügen, dass in meinen Zeichnungen, die vor kurzem in einer Ausstellung im PrimoBuch zu sehen waren, das Thema Reduktion behandelt wird.

Warum hast Du Dich besonders mit der religions- und kulturwissenschaftlichen Bedeutung von Farben beschäftigt?
Ich habe mich immer gefragt, warum benutze ich so oft Grün. Bei meiner Beschäftigung mit der Bedeutung von Farben fand ich heraus, dass der Farbe Grün in verschiedenen Religionen eine besondere Bedeutung zugeschrieben wird. Im Islam ist sie die heiligste Farbe als Farbe des Propheten, im Schamanismus ist sie die Farbe der Heilung, im babylonischen Gilgamesch-Epos erscheint eine mythische Gestalt, der „grüne Mann“, in der sich Wasser, Leben und vermittelnde Weisheit verbinden.
Farben werden unterschiedliche Kräfte zu geschrieben. Ich habe erfahren, dass sie eine heilsame Wirkung auf Körper und Geist haben. Insbesondere die verschiedenen Schattierungen von Grün und Blau sind für mich ein Aspekt des Lebendig seins, den ich zum Beispiel erleben kann bei Spaziergängen am Teltowkanal oder an der Krummen Lanke, wenn sich das Grün der Pflanzen und das Blau des Himmels im Wasser spiegeln. In der Mystik von Hildegard von Bingen beschreibt auch sie den Wasser- wie den Luft- und Geistesaspekt des Grün.

Welche Farben bevorzugst Du. Gibt es eine Lieblingsfarbe?
Das ist unterschiedlich: Rot, insbesondere Magentarot liebe ich – es ist die pure Energie. Demnächst will ich jedoch wieder mehr mit Grün malen.

Welche Farbe würdest Du Berlin als Erkennungsmerkmal zuordnen?
Berlin ist bunt. Auch wenn es draußen grau ist, sehe ich genug Farben.



Stell Dir vor, in zehn Jahren darfst Du nur noch mit schwarzer Farbe malen?

Kein Problem. Schwarz ist interessant, es ist für mich eine warme Farbe und nicht erschreckend. Schwarz ist auch ein Rückzugsort für mich, die Farbe hat unglaublich viele Schattierungen. Schwarzer Samt, bei unterschiedlichem Lichteinfall, ist doch toll.

Hast Du einen Traum von einem Ausstellungsort für Deine Bilder?
Der Gropius-Bau in Berlin oder das Brandhorst-Museum in München mit seinen lichtdurchfluteten Räumen sind solche Orte. Ein Traum wäre auch im Museum Voorlinden, das in einem Landschaftspark in der Nähe von Den Haag gelegen ist, auszustellen.

Du bist Ärztin und hattest eine eigene Praxis, dann hast Du noch Kunst studiert. Wie kam das?

Ich war lebensbedrohlich erkrankt. Schon damals interessierte mich die Malerei mit seiner Farbenvielfalt. Ich konnte und wollte nicht gleichzeitig malen und den kräftezehrenden Beruf einer Ärztin ausüben. Ich hatte den Wunsch, meinen Energiespeicher mit „Farbe“ aufzufüllen. Deshalb begann ich das Studium der Malerei an der Berliner Freien Akademie für Malerei, das fünf Jahre dauerte und sehr intensiv war.

Aus heutiger Sicht, was war die wichtigste Erfahrung in Deinem Studium?
Zum einen die öffentlichen Präsentationen der studentischen Arbeiten. Zum anderen die regelmäßigen Bildbesprechungen. Das bedeutete jeweils vor und mit einer Gruppe zu diskutieren. Das hat mich geschult. Mir wurde dabei klar, was ich in der Malerei will.

In Vorpommern sind Deine Wurzeln. Ist das Heimat, verklärte Vergangenheit oder Fremde?
Da ich 5 Jahre alt war, als meine Eltern von dort wegzogen, habe ich daran wenig Erinnerung. Meine Kindheit habe ich in einem Dorf in der Nähe von Hamm/Westfalen verbracht – dieses platte Land ist meine innere Landschaft. Dieser Landschaft fühle ich mich verbunden. Die Weite, der offene Horizont machen mich froh. Eine norddeutsche Kartoffelackerlandschaft erinnert mich aber auch an Vorpommern. Eine für mich besonders schöne Landschaft ist Nordfriesland.

Gibt es für Dich in Berlin und weltweit einen Lieblingsort?

In Berlin liebe ich es, um die Krumme Lanke zu laufen, die Wasserspiegelungen und im Winter den zugefrorenen See in allen Weiss-Grau-Schwarz-Blau-Schattierungen zu sehen. Weltweit präferiere ich die nordischen Länder mit ihren Wasserfällen und Gletschern, insbesondere Alaska und Island, die ich besuchen durfte.

Was sind die Scharniere Deines Lebens?
Meine Ehe, meine Kinder.

Von was würdest Du Dich gerne befreien? Was empfindest Du als Einschränkung?

Im Wesentlichen ist es die sich im Alter zeigende körperliche Einschränkung der Beweglichkeit, die mir beim Malen schon manchmal Schwierigkeiten bereitet.
Auch der Alltagskram schränkt mich hier und da ein. Wenn ich weg bin, also verreist bin, fühle ich mich viel freier, das Gefühl der Einschränkung ist mir dann fremd.

Wie gehst Du mit Komplimenten um, wie mit Kritik?

Gute Frage. Mit diesem Thema kann man sich länger auseinandersetzen. Kompliment ist irgendwie ein „blödes“ Wort. Anerkennung und Wertschätzung meiner Arbeit sind wichtig; Komplimente kann ich oft schwer annehmen. Konstruktive Kritik hingegen führt zu neuen Ideen.

In Berlin vermisse ich unterwegs mehr lächelnde Menschen, mehr Augenkontakt. Du auch oder was vermisst Du?
Das Selbstverständnis der Menschen wie in Asien, offen und freundlich, zugewandt und nicht aufdringlich zu sein, das vermisse hier schon. Darüber hinaus fehlt mir die Weite des Horizonts, obwohl man ihn jetzt auf dem Tempelhofer Feld erleben kann.

Draußen sind es Null Grad Celsius, es regnet, Du musst noch einkaufen gehen. Wie fühlst Du Dich dabei?
Ich lasse das einfach sein und gehe nicht einkaufen.

Draußen sind es 25 Grad Celsius, die Sonne scheint, die Stille der Sommerferienzeit in Berlin ist zu spüren. Was machst Du?
Ich sitze im Garten und träume.

Du hast die Ausstellung „Kunst im Wandel“ in der Villa Kult in Berlin-Lichterfelde mit organisiert? Wie kommt es zu diesem Namen und zu diesem Ort? Was erwartest Du von der Ausstellung?
Ich habe den Titel zusammen mit meiner Kollegin und Freundin Carolina Pretell erarbeitet. Kult findet sich ja schon im Namen des Ausstellungsortes und wir haben die Bedeutung hinterfragt und erweitert. Der Wandel hat uns beschäftigt, weil wir uns mit diesem und ähnlichen Projekten einen Bedeutungswandel in der Kulturlandschaft Steglitz/Lichterfelde erhoffen. Die Besitzerin der Villa Kult trägt einen nicht unerheblichen Teil dazu bei, da sie uns die wunderschönen Räume ihrer Villa unentgeltlich zur Verfügung stellt.

Seit wann bist Du Mitglied im KUNST.RAUM.STEGLITZ.? Und warum?
Beim Open Call 2015 „Steglitz“! Wie sehen Künstler den Bezirk? habe ich den Verein KUNST.RAUM.STEGLITZ. kennengelernt. Mir hat die Zusammensetzung, seine verschiedenen thematischen Sparten sowie die Mischung von Alt und Jung gefallen.

Mit welchen Schwerpunkten engagierst Du Dich im KUNST.RAUM.STEGLITZ.?
Im Wesentlichen im Bereich der Ausstellungsorganisation und Projektarbeit.

Was erwartest Du in Zukunft vom KUNST.RAUM.STEGLITZ.?
Kontakt zu anderen Künstlern mit einem offenen Austausch über Kunst und die Entwicklungen im Verein. Ein bisschen mehr Engagement der Mitglieder*Innen wäre wünschenswert. Zeit für die Entwicklung interessanter Projekte.

Peter Hahn, 20.04.2017