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13. April 2015 / In memoriam Günter Grass

Er war sperrig….

Ja, das war er. Das wird auch von mir gesagt. Heute würde ich meinen, ja Grass und ich und viele andere sind zu Recht sperrig.Man hat uns als Jugendliche und Kinder in einen Krieg gesperrt, in die Vertreibung geschickt, in den Nachkriegstrümmern aufwachsen,in einem Land ankommen lassen, das uns nicht wollte.Als Vertriebenenkind aus Böhmen wurde ich – wie die vielen Flüchtlingskinder im Rheinland auch – „Pimmock“ geschimpft, was abwertend unser Fremdsein beschreibt, Pollack ähnlich.Seit 1961 erst in Köln und dann in West-Berlin war ich junge Buchhändlerin. Auch wenn Günter Grass älter war als ich und er sich nichts Gutes tat, erst in seinem autobiografischen Werk „Beim Häuten der Zwiebel“, 2006, sich zu seiner Mitgliedschaft bei der Waffen-SS (er war siebzehn) bekannt zu haben, war er uns jungen Leuten damals einer von uns. Er hatte die junge Stimme in „Katz und Maus“ und in der „Blechtrommel“, die um 1960 erschienen sind, und uns ansprachen.

Als Kind einer sudetendeutschen Mutter war ich bereits 1963 mit Harry Ristock und den Falken in Theresienstadt, um Abbitte zu tun.Grass hat das in Danzig getan, er ist Ehrenbürger seiner Heimatstadt.Besonders sein Roman „Im Krebsgang“, 2002, hatte mich unterstützt, über mein eigenes Vertriebensein aus meiner Geburtsstadt Trautenau im Riesengebirge zu schreiben („Der Graben“ (2005), „Die Sammlerin“ (2009), „Böhmische/Ceska Polka“ (2005), Gedichte u.a.).

Auch wenn ich Günter Grass nur auf Lesungen und als Buchhändlerin begegnet bin (zu seinem Haus in Berlin-Friedenau mache ich Führungen), verliere ich mit seinem Tod einen Weggefährten, wenn ich auch in vielem mit ihm nicht einverstanden war. Er war mir teuer.

Jenny Schon

Berlin – Trautenau – Brühl

www.jennyschon.de